Doppelconference

22. März 2020

Der Punkt ist, meine Schmerzpunkt ist: die Erzählung, dass wir einander potentiell gefährlich sind, weil wir – die ganz große Menge an Menschen- nicht wissen, ob wir „das Virus“ in uns haben und übertragen können. Und noch immer habe ich nicht wirklich Angst vor diesem Virus, sondern vielmehr vor dem, was diese Erzählung in unseren Beziehungsräumen erzeugt. Dieses Abstand halten, diese Armut für unser taktiles System, dieses im Zaum halten unserer Bedürfnisse nach Nähe und sinn-lichem Spüren der Präsenz des anderen/der anderen.

Wie werden die Begegnungen sein, wenn sie wieder „erlaubt“ sind?  Das Vertrauen ist ein scheues Tier, das wird sich nicht sofort wieder zeigen.

Und woran merken wir, dass wir gesund sind? Ich fühle mich gesund, und doch verhalte ich mich, als wäre ich ansteckend. Mein Gegenüber fühlt sich gesund. Aber die Erzählung, dass wir beide krank sein könnten, bestimmt unser Verhalten. Das ist Teil dieser täglichen Surrealität, oder besser Doppelbödigkeit.

Ich glaube für viele von uns, ist diese Situation einer Erinnerung an kindliche Erlebnisse: Ich spüre eine Ungereimtheit, ein Unbehagen. Und die Erwachsenen rundherum beteuern, beschwichtigen, beruhigen scheinbar: Aber nein, das bildest du dir nur ein! Jetzt ist es quasi umgekehrt: Ich fühle mich gesund, das Wetter ist prächtig, der Frühling platzt aus allen Winternähten, das ist pure Lebendigkeit, Wachstum. Aber komm bloß nicht auf die Idee, es der Natur gleich zu tun: viel zu gefährlich, nur nicht turteln, nicht zusammenkommen, Abstand halten, …

Die skurrile  Doppelconference von Empfinden und Erzählung.: das ist es, was neben all den nüchternen, vernünftigen Überlegungen, Berechnungen, Prognosen, Verhaltensregeln auf der großen medialen Hauptbühne auf der Hinterbühne stattfindet.  Mein inneres Publikum pendelt zwischen Haupt- und Hinterbühne hin und her.

Ach, all die frisch Verliebten! Nichts turnt das Immunsystem besser an!