Berüchtigt

8. Mai 2021

Viele Jahre lang war mir der Muttertag egal, dann kam die Zeit, in der unser Bildungssystem unsere Kinder beauftragte, am Muttertag allerlei Selbstgebasteltes zu verschenken, das ich abwechselnd mit Gleichmut und Rührung, aber jedenfalls immer mit gemischten Gefühlen entgegennahm.

Dann bin ich ja auch schon noch viel länger Tochter. Aus dieser Rolle heraus war Muttertag oft mit Verpflichtung, dem (Selbst-) Anspruch, irgendwelche Erwartungen zu erfüllen, mit Widerstand und jedenfalls immer mit gemischten Gefühlen verbunden.

Heute sucht mich dieses Konglomerat an alten Gedanken schon den ganzen Nachmittag heim…

Jetzt bin ich eben von einem langen Spaziergang durch Auwälder, Obstwiesen und dem Gehen am Fluss heimgekommen, ein bisschen in kämpferischem Aufruhr.

Ja, wir sind Mütter, ja, es ist uns vieles gelungen im Leben mit unseren Kindern, nicht alles ist uns geglückt, hinterher sind wir schlauer.

Aber ich hab da unlängst einen Text gefunden und der legt die ermatteten Reste des Muttertiers in mir irgendwie lahm (bildhaft gesprochen…)

Vergiss Sicherheit.

Lebe, wo du fürchtest zu leben.

Zerstöre deinen Ruf.

Sei berüchtigt.

(angeblich vom Sufi- Meister Rumi, womöglich originell übersetzt, aber ich nehme, was ich kriegen kann!)

In diesem Sinne:

Die Lust meinen Ruf zu zerstören, die Sicherheiten aufzugeben, morgen mit grellroten Lippen die Muttertagsstäuße als Heuchlerbesen zu entlarven, mich draufzuschwingen, einen Schluck vom Gin-Tonic zu nehmen und dann mit eleganter Kurve in einen lustvollen und lebendigen Tag abzudrehen, ist ungebärdig und ungebändigt. Wer wir wohl wären, hätten wir keinen Ruf zu verlieren, wären wir frei von Sicherheitsdenken und berüchtigt…..

Aaaahhhh, welch magische und erhebende Vorstellung, ich sehe uns alle bildhaft vor mir, so eine Freude, so eine Kraft, so ein Feuer!