Kategorie: Blog (Seite 3 von 23)

Geschenk zum Advent

4. Dezember 2022

Was ich dir zum Advent schenken möchte

Einen Orgelton wider den finsteren Morgen,

meinen Atem gegen den Eiswind des Tages,

Schneeflocken als Sternenverheißung am Abend

und ein Weglicht für den verloren geglaubten Engel,

der uns inmitten der Nacht die Wiedergeburt

der Liebe verkündet.

Christine Busta

Harz auf die Wunden

3. Dezember 2022

Wenn ich befeuert bleib wie ich bin

und vom Feuer geliebt,

bis das Harz aus den Stämmen tritt,

auf die Wunden träufelt und warm

die Erde verspinnt,

(und wenn du mein Herz auch ausraubst des Nachts

mein Vogel auf Glauben und mein Vogel auf Treu!)

rückt jene Warte ins Licht

die du, besänftigt

in herrlicher Ruhe erfliegst-

was auch geschieht.

Ingeborg Bachmann

(aus „Mein Vogel“)

Weidenwiege

2. Dezember 2022

Seit heute, aber für immer weiß ich:

Die Erde ist wirklich warm

Ich gebe der Nessel den Brand zurück

und dem Igel die Stacheln

Seit heute ist alles mein Schutzpatron

und die ganze Welt ist eine Weidenwiege

darin der Windstoß uns zusammenschaukelt

und unseren Atem verknotet

Christine Lavant

Atem

  1. Dezember 2022

Mein Atem

In meinen Tiefträumen
weint die Erde
Blut

Sterne lächeln
in meine Augen

Kommen Menschen
mit vielfarbnen Fragen
geht zu Sokrates
antworte ich

Die Vergangenheit
hat mich gedichtet
ich habe
die Zukunft geerbt

Mein Atem heißt
Jetzt

Rose Ausländer

Adventkalender – der Dichte etwas entgegensetzen

26. November 2022

Bevor er verendet dieser Blog – eine Belebungsmaßnahme setzen. Verwaist ist er schon eine Weile. Die Reflexionen passieren im Moment woanders, oder aus Überforderung gar nicht.

Meine Idee ist, der Dichte im Außen etwas entgegenzusetzen. Eine innere Dichte gewissermaßen, sprachliche Dichte. Ge-dichte.

Ich liebe Lyrik und Poesie. Das bedeutet Pause, Durchatmen, Innehalten, Hinlauschen, ein zweites Mal hinhören. Den Verstand mit Sprachklang umschiffen. Und ja, auch Trost!

Pablo Neruda sagte: Poesie ist ein Akt des Friedens.

Also ab 1. Dezember gibt es hier täglich ein Gedicht zu lesen. Altes, Neues, Fundstücke und Zugefallenes.

Ich freue mich über Besuch und Resonanz.

Boden kultivieren

21.August 2022

Das Nachdenken und die Auseinandersetzung mit dem Thema der Regeneration tröstet mich in dieser Zeit, wie sie ist. Mich aktionistisch gegen die aktuellen Entwicklungen zustellen, kostet enorm viel Kraft und lässt mich ausbrennen. Nichts zu tun, füttert das Verzweiflungs- und Frustationstier in mir. Würde und Regenerationsfähigkeit zu kultivieren, bringt spürbare Verbesserung in mein unmittelbares Leben und hält im Fahrwasser Humus und Dünger für einen Boden bereit, auf dem wirkliche Transformation, heilsame Erfahrungen und Entwicklungen und ein gutes Leben für alle, für unseren Planeten (als dessen Teil ich uns als Menschheit begreife) wachsen und gedeihen kann. Würde und Regeneration im Blick zu behalten, schafft kleine Inseln des guten Lebens.

Zwei Gläser einer Brille

16. August 2022

Würde ist ein Thema, das mich die letzten Jahre begleitet und beschäftigt und sowohl gedanklich als auch in meinem leiblichen Sein in der Welt eine Rolle spielt. „Würde“ ist eine Brille, mit der ich seit geraumer Zeit auf die Welt und auf Beziehungen schaue, sie wahrnehme und wohl auch interpretiere. Seit kürzerer Zeit kommt ein zweiter Begriff ins Spiel: „Regeneration“. Und seit einigen Wochen beschleicht mich das Gefühl und die Ahnung, dass dies das zweite Brillenglas ist, mit dem ich auf die Welt schaue. So wie wir unsere beiden Augen nicht genau gleich gebrauchen und dieser unterschiedliche Gebrauch für die Tiefen- und Raumwahrnehmung sorgt, so bemerke ich, dass meine Begegnungen mit Menschen, mit Ereignissen, mit der Welt an Tiefe gewinnen. „Würde“ und „Regeneration“ sind verwandt, sie gedeihen auf den gleichen Böden.

Tag der Erde

22. April 2022

Heute ist der Tag der Erde. Sie ertrug uns gestern und trägt uns morgen. Wir tun alles dafür, dass sie uns irgendwann abschüttelt. Diese Großzügigkeit der Erde ist fallweise schwer zu ertragen. Wir setzen ihr zu, ihrer Würde, ihrem Dasein. Manchmal fühle ich wie sie. Manchmal gehöre ich zu ihr. Manchmal bin ich ihr Gegenüber. Immer bewohne ich sie. Sie ist Ermöglicherin, Lebensspenderin, Versorgerin. Ohne sie, bin ich nichts, sind wir nicht.

Hier eine Lese – „Mehr als Empfehlung“: Robin Wall Kimmerer, Geflochtenes Süßgras

Lebendigkeit kultivieren

24. Dezember 2021

Da sind wir nun, am Ende dieses Advent angekommen: Ankunft.

Ankunft in der Heiligen Nacht. Die bedeutet mir etwas. Die Nacht und die Heilung. Da ist das große Ausatmen, das Sinken in die Raunächte, das Einverständnis ins Geschehenlassen. Nichts mehr muss, vieles kann, alles darf sein.

Ich wünsche Euch Ausatmen, Sinken, Lassen und ein Einverstanden -Sein mit dem, was sich zeigen will in der Zeit zwischen den Jahren.

Ich wünsche Euch Herzerwärmendes und Heilendes für Leib und Seele.

Das Wesentliche ist getan und das Jahr hat sich
zum Samen gerundet.

Jetzt ruhe
und sei ohne Sorgen, denn wisse:

Das Licht wird
ohne dein Zutun
wieder geboren
und die Aufgaben
des Neuen Jahres
wachsen von selbst
an dich heran.

Eva Callies

Üben, dem Leben und der Lebendigkeit zugewandt zu sein

23. Dezember 2021

Es fällt nicht schwer, dem Leben zugewandt zu sein, wenn es uns begeistert, wenn es uns mitnimmt in seinen Fluss und wir ohnehin bereit sind, unterwegs zu sein. Zum Leben gehört aber das Sinken, das Verabschieden, das Ruhen und Rasten auch dazu. Das wirklich zu leben und als dem Leben zugehörig zu begreifen, kann herausfordernd sein.

Mir ist heute ein wunderschöner Text zugeflogen, den ich gerne mit euch teilen möchte:

    Dunkelheit

Ich danke dir, Dunkelheit,
dass du dich über alle Dinge breitest,
mit gleicher Zartheit
über unversehrtes Leben
und das Zerbrochene.

Dass du dich zu mir setzt
wie eine alte Freundin,
die mich besser kennt
als ich mich selbst
und die geduldig wartet,
bis ich mir begegne.

Dass du mich lehrst,
was leere Hände sind
und wie das Leben schmecken kann,
wenn Leben heißt,
mit dem, was ist, zu sein.

Ich danke dir, Dunkelheit,
dass du mich birgst wie weiche Erde,
in der ich ruhen und zum Leben reifen darf
wie ein Geheimnis,
das sich noch entfaltet.

Giannina Wedde
Ältere Beiträge Neuere Beiträge