Schlagwort: Coronazeit

Einen Standort finden, zu einer Haltung kommen

15. November 2021

Mit weniger einverstanden sein. Das Thema über eine andere Kante brechen: Über die Fließmenge von Informationen von außen bestimmen und verfügen und sie eindämmen, um zu einer Innenwahrnehmung (wie immer unfertig und fluid) zu kommen.

Wie empfinde ich die C-Situation? Sie versetzt mich in Sorge, sie rückt mir nahe, sie hält mich beschäftigt, sie fordert mich heraus. Im Nachdenken darüber, im Sprechen darüber regt sie mich auch manchmal auf, dann werde ich müde. Ich wechsle in meinem Denken darüber von einem Prozess der Vereinfachung zu einem Prozess der Komplexisierung (gibt es das Wort?) und wieder zurück und hin und her. Da komme ich dann nur raus, wenn ich mich aufs Gehen, Atmen, auf meinen Körper und die Schönheit der kleinen Dinge fokussiere. Jetzt z. b. das Lichtspiel der auftauchenden Sonne auf den Wänden des Raumes, in dem ich sitze. Wie schön das ist, wie unbeeindruckt die Natur, die Alltagsphänomene von der Aufregung der Welt um mich sind. Das tut mir gut!

Mein Denken ist dadurch angeworfen, weil ich fast ununterbrochen damit beschäftigt bin, meine Einschätzung und meinen Standpunkt zu finden. Was immer schwieriger wird…. Ich misstraue dem Ruf der Mehrheiten, auch wenn ich en gros mitkann. Die rechthaberische Sicherheit auf der richtigen Seite zu sein und zu wissen, was für die anderen zu tun ist, macht es massiv unbehaglich für mich. „Wir Geimpften“ und „ihr, die Ungeimpften“…Ich habe mit manchen Ungeimpften mehr gemeinsam als mit sehr vielen Geimpften (nehmen wir doch mal die ganze türkise Regierungsmannschaft: geimpft, aber wohl ist mir nicht, mit jenen in einem Atemzug genannt zu werden). Diese Art von Lagerbildung ist mir höchst suspekt. Und es ist mir mehr als klar, dass das Pochen auf Freiheit zu eigener Meinung und Handlung so lautstark eingefordert werden muss. Ich verstehe bei weitem nicht immer die Argumentation, das Zustandekommen dieser Meinung und teile weder die Einschätzung der Situation noch das Gefühl der Unverletzbarkeit mit jenen, die sich nicht zu einer Impfung entscheiden (wollen, können,…)

Dann die Seite all jener, die jenseits der Belastungsgrenze auf den Covid- und Intensivstationen arbeiten und einfach nicht mehr können. Enttäuscht von den lahmen Entscheidungen in der Politik und der mangelnden Solidarität der Gesellschaft. Konfrontiert mit absolut jenseitigen Arbeitsbedingungen bei absolut viel zu geringer Bezahlung und dem Gefühl, nicht gehört, nicht ausreichend geschätzt und im Wesentlichen ignoriert zu werden. Ja, ich will das hören und ich empfinde die Erschöpfung und Wut mit.

Dann gibt es viele (junge) Menschen, die einfach ihr Recht auf Leben, auf Kontakt, auf Feiern, auf Kultur, auf Konzerte einfordern und ihr Leben nicht aufschieben können und wollen. Sie haben Lockdowns (wie wir alle) hinter sich und wollen das nicht wieder haben. Wer wäre ich, ihnen das zu verübeln? Ich kann auch das verstehen.

Und nicht zuletzt: das alles ist nur in meiner kleinen Welt gedacht. Die ganze große Welt ist von Corona betroffen. Wie wird Impfstoff und medizinisches Gerät verteilt? Wer hebt endlich die Patente für Impfungen und Medikamente auf? Und was ist mit all den schwerwiegenden Krisen, die vor aller Krankheit kommen?

Schon einmal habe ich hier geschrieben, dass Solidarität nicht wirklich eingefordert und abverlangt werden kann. Das glaube ich noch immer. Menschen können sensibilisiert werden, können mit der Situation der „anderen“ konfrontiert werden, können auf andere Perspektiven hingewiesen werden.

Aber Solidarität ist eine Gabe. Ich kann auf etwas verzichten, ich kann mich reduzieren und damit einverstanden werden. Ich kann meine innere Freiheit dazu verwenden, die Spannung nicht nur nach außen zu projizieren und mich auf der richtigen Seite zu wähnen, sondern die Spannung und das Mitfühlen in mir auszuhalten und zu halten.

Haltung, die mit großen Innenräumen einhergehen muss. Diese also pflegen und hüten.

Salute!

8. Juni 2020

Schon seit einiger Zeit mache ich mir Gedanken darüber, warum so wenig darüber gesprochen wird, was uns, mich und dich, gesund macht und hält, wie unser „Immunsystem“ mit Toxischem und Ungesundem besser und besser umgehen kann. Nun habe ich (wieder) einmal ein bisschen zum Modell der Salutogenese (Aaron Antonovsky) recherchiert und finde (wieder), dass dieses System sehr Brauchbares auf den Punkt bringt.

Schon einmal das Wort: Saluto- genese: also Gesundheitsentstehung, Gesundheitsgeschichte.

Wir haben uns in Coronazeiten sehr viel mit der Pathogenese beschäftigt, der Entstehung von Krankheit und daraus geschlossen, was wir alles nicht tun sollen, damit die Krankheit nicht entsteht.

Die Salutogenese fokussiert mehrere Ebenen, es lohnt sich, diese einmal zu nennen:

Stimmigkeit/Kohärenz, attraktive Gesundheitsziele, Ressourcen, Subjekt und Subjektives, Selbstheilungsvermögen und Selbstregulation, Entwicklung und Evolution, „sowohl-als auch“ im Sinne von mehrere Möglichkeiten machen Sinn.

Diesen Raster über die letzten Wochen zu legen, macht einiges klar und offenbar und siebt in aller Klarheit das Unbehagen heraus, das mich immer wieder beschlichen hat.

„Sense of Coherence“: der Sinn, das Gefühl für innere Stimmigkeit und Verbundenheit. Dieses „JA“ bis in die hinterste Zelle, „das passt“ beschreibt vielleicht am besten diesen Sinn, dieses Gefühl. Es bleibt immer eine leise Ungenauigkeit in der Übersetzung von „sense“. Etwas fügt sich in der Sichtweise, in der Einschätzung, in der Herstellung von Zusammenhängen, dies kann sehr subjektiv und erfahrungsgetragen sein, jedenfalls aus den eigenen Ressourcen gespeist.

Im speziellen Fall der letzten Monate: das Thema Atem und Atembewegung. Frische Luft, Waldbaden, Atemübungen, den Brustkorb flexibel und beweglich werden lassen, häufig ausatmen  und soviel wie möglich raus an die Luft gehen. Enge (Angst kommt von Enge) meiden, das Weite suchen…

Sich selbst trauen – auch keine schlechte Strategie….

Ungeahnte Heiterkeit beim Forststraßenhatscher

15. April 2020

Im Moment, nach guten Tagen, vielen Ideen und einigem Tätig-Sein, heute eher ein Gang durch die Niederungen- ein sogenannter „Forststaßenhatscher“,  gibt landschaftlich nichts her, ist einfach Strecke zurücklegen und macht müde. Scheint aber dazuzugehören – mit der inneren Überzeugung hapert´s halt.

Ich will aber auch diese Wegstrecken nicht verschweigen, weit weg von Selbstoptimierung (das wiederum aus Überzeugung), Kreativitätsschüben, Aktivität und Freude am Frühling ist das hier halt auch wirklich zäh. An solchen Tagen  hielt das Leben vor Corona ein bisschen Ablenkung bereit, auf einen Kaffee gehen, eine zufällige Begegnung auf dem Weg zur Arbeit, eine unerwartete Gelegenheit zum Lachen, das Unvorhersehbare, welches das soziale Miteinander bietet. Das fehlt, das fehlt mir im Moment sehr.

Und, ja: es ist, wie es ist und die Ablenkung fehlt….UND wie lässt sich die höchstpersönliche Unvorhersehbarkeit ein wenig kultivieren?

Also die Gedanken sind frei: ich lass sie einfach mal galoppieren….und denke mir Bilder aus, die mich erheitern und die nicht aus Logik entspringen sondern aus Lust und Übermut. Und was TU ich, aus Lust und Übermut? Was lockt meine Heiterkeit?

Solidarität

5. April 2020

Ich beobachte ein bisschen die Sprache, die in der öffentlichen Kommunikation verwendet wird und muss mich doch sehr wundern. Das Wort „Solidarität“ zum Beispiel nehmen gerade Politiker (gab es mal Politikerinnen?) und Menschen in den Mund, die bisher gut verborgen haben, diesen Begriff überhaupt in ihrem Wortschatz zu führen. (Salopp: Ich wusste gar nicht, dass die das buchstabieren können!).

In mir entsteht das dringende Bedürfnis dieses Wort sofort auf Reha zu schicken, damit es sich von diesem klebrigen Virenbefall befreien und erholen kann.

Solidarität entsteht aus einer Haltung des freiwilligen Teilens eines Wertes heraus. Ich finde etwas – wie du – wichtig und ich bin freiwillig  bereit, diese Werthaltung mit dir zu teilen und eventuell daraus entstehende persönliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen. Die Freiwilligkeit widerspricht nicht einer persönlichen Notwendigkeit aus dem je eigenen Wertekanon heraus eine Konsequenz zu ziehen.

Hochproblematisch wird es mit dem Einfordern von Solidarität. Reifliche Überlegung, ein Ringen um die eigenen Werte und die persönliche Haltung, eine klare Entscheidung, sind, so finde ich, verlässliche Begleiter von Solidarität.

Angst, Überangepasstheit, moralische Überlegenheitsgefühle sprechen eher von einem viralen Befall des Begriffes „Solidarität“. Das wäre ich dann ganz dringend für die Reha- Variante.

Wie könnte diese Reha aussehen:  in einen blühenden Vogelkirschbaum gehängt, von der Frühlingssonne beschienen, vom Wind durchgeblasen, von Flügelschlag der vorbeifliegenden Vögel sanft bewegt, von einer jungen Frau entdeckt und gesehen, die den Fund ihrer Freundin aus der Ferne zeigt: Da, siehts du, da wo die Bäume ganz dicht stehen, das blüht ziemlich oben eine Vogelkirschbaum und da hängt was… sieht du das? Ah, ja, ja, jetzt sehe ich es. Da spazieren wir morgen hin und sehen uns da an….

In der Mondnacht, vom Sternbild der Kassiopeia zärtlich bewacht, sinkt die nach Kirschblüten duftende Solidarität sanft zu Boden, der herumstreunende Kater legt sich drauf, putzt seine Pfoten, den schnurrenden Leib und ruht, immer wieder träge eine Auge öffnend und wachsam bis in die hinterste Zelle, eine Weile darauf…. Dann….

So beginnt die Reha-Geschichte in meiner Vorstellung.

Und in all dieser Zeit kann  dieses Wort nicht verwendet werden und diejenigen, die das momentan so gern in den Mund nehmen, sagen statt dessen, was der Sachverhalt ist: Tut, was wir euch sagen, haltet euch an die Regeln, die wir uns mit unserem Experten- und Krisenstab für euch ausgedacht haben. Wie wissen nämlich nicht genau, wie wir diese Situation unter Kontrolle bringen sollen. Wir versuchen jetzt, euch unter Kontrolle zu bringen, das gibt uns ein bisschen mehr das Gefühl, gute Krisenmanager zu sein, weil wir da gleich etwas machen, Entscheidungen treffen können. Und nicht abwarten und beobachten müssen und das Leben in seiner Größe und Komplexität, in seiner Unberechenbarkeit und Entfaltungsfähigkeit wahrnehmen müssen. Wir wissen wenig, aber an einem Ende können wir kotrollieren und wir wollen, dass ihr euch vor euch selber schützt, dass ihr die anderen vor euch schützt. Zärtlichkeit und Nähe, leibliche Begegnung und der Trost des lebendigen Körpers – das ist gefährlich. Vertrauen ist gefährlich.

Wenn ihr tut, was wir euch sagen, dann seid ihr……….. (es ist nicht da, es ist auf Reha!)

Gioconda Belli sagte: Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.

Rehabilitationziel: die  ausreichende Ladung  und Sättigung des Begriffes „Solidarität“ mit Zärtlichkeit.

(Selbst-) Regulation

27. März 2020

Die Tage vergehen äußerlich sehr gleichförmig. Innerlich unterscheiden sie sich.

Tage, die produktiv im herkömmlichen Sinn sind, halten die Unsicherheit und Ungewissheit mit Arbeitszufriedenheit in Schach. Tage, die gekennzeichnet durch Kontakte mit Freundinnen und Familie sind, geben das Gefühl, dass es im Umkreis eh allen einigermaßen gut geht und niemand ernsthafte gesundheitliche Probleme hat, das beruhigt das Unbehagen. Tage, die sich eher zäh anlassen, durch eine gewisse Lustlosigkeit gekennzeichnet sind, sind jene Zeiten, wo die Membranen zur Krise, die sich über unsere kollektive Zeit gelegt hat, durchlässig werden und die Fragen ins Innere sickern und es sich dort einmal einrichten. Da treffen die kollektiven dann auf die individuellen Fragen.

Sie sind da- die Fragen und harren der Antworten, die ich nicht so ohne weiteres habe. Ver-Antwort-ung bekommt da eine klare Bedeutung.  Diese Tage haben den Sinn, die Fragen zu hüten, die Ungewissheit zu halten, den Verlust und das Vermissen zu erleiden. Ich befrage mich, ich ver-antworte mich. Und verbiete mir die schnelle Aktion, die doch oft viel einfacher wäre.

An allen Tagen ist Selbstregulation vonnöten. Sorgen für mein leiblich spürbares Dasein, das vor dem Laptop, im Kontakt, im Scannen der aktuellen Nachrichten ganz schnell aus meiner Aufmerksamkeitsradius rausfällt. Dann: atmen, drei Atemzüge wahrnehmen, auf den Boden legen und die Auflageflächen spüren, im Liegen meine Gliedmaßen sanft bewegen, die Atemräume dehnen. Aufstehen und den Boden unter den Füßen wahrnehmen. Bottom up – Regulation: meinen Körper in seiner Lebendigkeit spüren, den Boden, der mich trägt, mein Dasein jenseits von Fragen und Antworten, Daten und Fakten.

Vorsprachliche Poesie, mit einer Ahnung von Vertrauen auf  das JETZT als Boden für das „Auf uns Zukommende“ – die Zu-kunft.

Doppelconference

22. März 2020

Der Punkt ist, meine Schmerzpunkt ist: die Erzählung, dass wir einander potentiell gefährlich sind, weil wir – die ganz große Menge an Menschen- nicht wissen, ob wir „das Virus“ in uns haben und übertragen können. Und noch immer habe ich nicht wirklich Angst vor diesem Virus, sondern vielmehr vor dem, was diese Erzählung in unseren Beziehungsräumen erzeugt. Dieses Abstand halten, diese Armut für unser taktiles System, dieses im Zaum halten unserer Bedürfnisse nach Nähe und sinn-lichem Spüren der Präsenz des anderen/der anderen.

Wie werden die Begegnungen sein, wenn sie wieder „erlaubt“ sind?  Das Vertrauen ist ein scheues Tier, das wird sich nicht sofort wieder zeigen.

Und woran merken wir, dass wir gesund sind? Ich fühle mich gesund, und doch verhalte ich mich, als wäre ich ansteckend. Mein Gegenüber fühlt sich gesund. Aber die Erzählung, dass wir beide krank sein könnten, bestimmt unser Verhalten. Das ist Teil dieser täglichen Surrealität, oder besser Doppelbödigkeit.

Ich glaube für viele von uns, ist diese Situation einer Erinnerung an kindliche Erlebnisse: Ich spüre eine Ungereimtheit, ein Unbehagen. Und die Erwachsenen rundherum beteuern, beschwichtigen, beruhigen scheinbar: Aber nein, das bildest du dir nur ein! Jetzt ist es quasi umgekehrt: Ich fühle mich gesund, das Wetter ist prächtig, der Frühling platzt aus allen Winternähten, das ist pure Lebendigkeit, Wachstum. Aber komm bloß nicht auf die Idee, es der Natur gleich zu tun: viel zu gefährlich, nur nicht turteln, nicht zusammenkommen, Abstand halten, …

Die skurrile  Doppelconference von Empfinden und Erzählung.: das ist es, was neben all den nüchternen, vernünftigen Überlegungen, Berechnungen, Prognosen, Verhaltensregeln auf der großen medialen Hauptbühne auf der Hinterbühne stattfindet.  Mein inneres Publikum pendelt zwischen Haupt- und Hinterbühne hin und her.

Ach, all die frisch Verliebten! Nichts turnt das Immunsystem besser an!

 

Bestandsaufnahme

20. März 2020

Jetzt ist beinahe die erste Arbeitswoche im Ausnahmemodus  vergangen. Für sehr viele Menschen waren die vergangenen Tage eine enorme Herausforderung. An sie habe ich oft gedacht und gestern ist mir diese „große“ Welt sehr nahe gekommen und hat mich gelähmt und ziemlich handlungsunfähig gemacht.

Ich merke nach wie vor, dass die Gestaltung dieser Tage, die so ohne Ablenkung sind, so ohne direkten Kontakt zu meinem weiteren Umfeld, herausfordernd  für mich sind. Immer noch: wie oft hole ich Außeninformation ein, wie oft frage ich meine Inneninformation ab (Was fühle ich? Was denke ich? Was spüre ich? JETZT und JETZT und JETZT)?  Wie setze ich meine Prioritäten in dem, was zu tun ist, was ich tun möchte. Wann tu ich NICHTS. Interessanterweise komme ich kaum zum Lesen eines Buches. Viele kreative Ideen, wovon so gut wie nichts Umsetzung findet. Von Langeweile irgendwie gar keine Spur. Genussvoll ist das Sein im Garten und in der Natur und der Nachmittagskaffee am Balkon in der Sonne.

Das Experiment (von Matthias Horx, Zukunftsforscher angeregt): von Herbst 2020 auf diese Wochen zurückschauen- eine REgnose (vs. PROgnose) wagen… Was siehst du? Was seh ich?

Hier der Link zu dem sehr lesenswerten Artikel: https://www.diezukunftnachcorona.com/die-welt-nach-corona/ 

Ausnahme.Zustand

17. März 2020

Tag zwei der Ausnahmezeit.  Eine seltsame Mischung ist das: tatsächlich kann ich dieser plötzlichen Entschleunigung und dem Verfügen über Zeit nach meinem Geschmack (ich entscheide, wann ich was mache) durchaus was abgewinnen. Trotzdem lauert im Untergrund leises, unsichtbares, amorphes Unbehagen. Mich in meinen Reaktionen auf diese fragile Atmosphäre zu beobachten, ist ein Teil meiner „Tagesaufgaben“: wo und wie schlägt mein Sicherheitsbedürfnis an (es hilft, wenn ich meine Lieben um mich habe)? Wie verändert sich meine Prioritätensetzung (kleine Gartenaufräumarbeiten vor dauernder Außeninformationsbeschaffung)? Wie schaffe ich den Spagat zwischen Verantwortung und obrigkeitshörigem Alles-richtig-machen-Wollen (verschiedenen Handtücher und häufiges Händewaschen JA, Türschnallen desinfizieren NEIN, meine Desinfektionsmethode: Räuchern JA)?

Eigentlich beschreibt das Wort AusnahmeZustand das Dilemma sehr genau: der Zustand als etwas Konsistentes, Kontinuierliches. Die Ausnahme als etwas, das mit Kontinuierlichem bricht und das „Andere“,  Unerwartete beschreibt. Diese beiden Herausforderungen gleichzeitig wohnen dem AusnahmeZustand inne. Es ist wie mit dem Wechsel zwischen den Aggregatzuständen. Das mehr oder weinig konsistente Wasser verdampft unter der Hitze der „Coronabedrohung“  und wird dann diffus, wolkig, indifferent, kann sich aber an kühlen Oberflächen wieder in den Ursprungszustand „flüssig“ zurück verwandeln.

Und eben unser scheinbar konsistenter „Zustand“ ist ja alles andere als fest und „stehend“….

Mögen wir die Verbundenheit nicht aus den Augen verlieren,  mögen wir unser Immunsystem stärken, möge uns das Lachen nicht ganz vergehen, möge uns die viele Information nicht in unserer Menschlichkeit deformieren!

Immunsysteme

3. März 2020

Allgemein gibt es im Moment nur zwei Themen: das Coronavirus und das Migrationsthema und besonders findige Populisten stricken daraus der Einfachheit halber gleich ein Thema. Die Informationslage ist ab und zu unübersichtlich und von Angst aufgeladen. Dem ist nur Ruhe, Verstand, Empathie und normales Sozialverhalten entgegenzusetzen: das Immunsystem der Gesellschaft. Frischluft, Sonne und ein paar Vitamine sind auch nicht schlecht: fürs individuelle Immunsystem.

Und die große Erde hat sich ohnehin mit den winzigen Königsviren verbunden und fährt so ihr Immunsystem hoch: weniger Flüge, stillgelegte Industrieanlagen, weniger Individualverkehr und schon wären ein paar Forderungen der globalen KlimaschützerInnen erfüllt und die Luftqualität ist nicht nur in China ist augenblicklich besser. Der Preis ist hoch und ich möchte keinesfalls zynisch klingen- und doch – ich kann mich dieser Gedanken nicht erwehren.

Das Immunsystem auf allen Ebenen ist im Blick zu behalten….