Schlagwort: Präsenz

Gegenwärtige Erwartung

16. Dezember 2022

 Wo du auch hingehst

mit deinen träumenden Füßen

sorgsam hingesetzt in dein gegenwärtiges Leben

seltsam beflügelt jedoch wie Merkurs Fersen

in einer ahnungsvollen Erwartung:

immer wieder werden sich riesige Blöcke von Luft

wie fügsame Herden bewegen lassen durch dich

und auf mich zukommen

alle Regen die je deine Wange treffen werden

kommen zu mir zurück

aufgelöst bist du in jedes Teilchen der Erde

mitgeteilt hast du dich allen schwebenden Wolken

und die Wälder der Blumen sprechen in deiner Sprache

nichts kann dich mehr trennen von meinem Herzen

mit jedem Sonnenstrahl sinkst du in mich

wie ein Same

über alle Wasser hinweg

bis zu den blätternden Sternen der Windrose

Friederike Mayröcker

Weih-Nacht

24. Dezember 2020

Du bist bis heute durch diesen Advent mitgegangen. Danke dafür!

Heute lade ich dich (und mich!) ein, den Tag durch die Genuss-Brille zu betrachten: Was macht mir Freude, was lässt mich die Zeit, das Zusammensein mit den anderen Menschen genießen?

Das setzt ein Gespür für Präsenz und Da-Sein voraus- wir haben in den letzten Tagen ein wenig geübt: Lass die Füße den Basiskontakt zum Boden herstellen. Atme aus und bewusst ein, sei mit dir und bei dir. Dann gibt es eine weiche Aufmerksamkeit mit wachen Sinnen für die Menschen und die Welt. „Antennig sein“: die Welt, das Fest, die Menschen kommen auf dich zu. Du musst nichts tun. (Ja, das klingt auch für mich paradox. Ist aber so.)             

Was siehst du? Was hörst du? Was gelangt an deine Haut, was spürst du? Was riechst und schmeckst du? JETZT.

Genieße. JETZT.

Die Zeit ist da. JETZT.

Du bist da. JETZT.

Die Welt ist, wie sie ist. JETZT.

Atmen. JETZT.

Das weiht die Nacht.

Weih-Nacht.

Gehen

10. Dezember 2020

Wir alle gehen jeden Tag wohin. Gehen ist uns Fortbewegungsmittel von A nach B, oft transportieren wir dabei auch noch einiges.

Es ist dem Dasein und der Präsenz absolut förderlich „nur“ zu gehen. Pack dich zusammen, zieh dich warm an, nimm nichts mit. Gehe ein Stück in die Natur hinein, in einen Wald, ein bisschen raus aus der Zivilisation.

Dann stell dich beidbeinig hin. Steh, atme, schließ für einen kurzen Moment deine Augen und nimm dich wahr und spüre in dich hinein. Schalte in einen verlangsamten Zeitlupen-Modus und beginn zu gehen.

Was passiert alles in dir, bevor du überhaupt den ersten Schritt setzst?

Dein Gewicht kommt auf eine Seite, auf ein Bein, du löst die Fußsohle des anderen Beines, beugst das Knie, pendelst aus dem Hüftgelenk nach vorne, um den ersten Schritt zu setzen, bringst dein Gewicht darauf……und…..

Nimm diese Schritte als Ereignis, als Feuerwerk aus unzähligen kleinen Bewegungen. Vergiss im Aufmerksam-Sein nicht auf das Atmen.

Nach einigen Schritten kannst du deine Aufmerksamkeit auf das Zusammenspiel der kleinen Bewegungen richten, ein wenig an Tempo zulegen und dich an Koordination, Ablauf, die Einbindung deines ganzen Leibes, deiner ganzen Person erfreuen.

Gehen ist ein Wunder. Eines dieser übersehenen, kleinen Alltagswunder, die uns ins Staunen,  in die Präsenz und in unsere ureigene Zeit bringen können.