Schlagwort: Schmerz

Weltschmerztage

27.11.2021

Es gibt Tage, gestern war so einer, an denen ich vor der Welt und ihren Schmerzen, den Menschen und ihren Schmerzen, den Entwicklungen, die Schmerz verursachen in die Knie gehe. Dann setzt sich der Schmerz in meinem Körper fest, die Abgrenzung funktioniert nicht mehr, die Mutlosigkeit macht sich breit, schaumgebremst und antriebslos häng ich dann in den Seilen und empfinde alle als zu viel und als riesige Zumutung.

Ich erlebe dann einen Tag, an dem das Funktionieren, das Dagegenhalten, das Haltung entwickeln, die Leichtigkeit und die Lebensfreude Urlaub haben. (Eine wilde Truppe – würd gern wissen, wie die so einen Urlaubstag verbringen :-)) Dann bin ich im Modus des „Aushaltens“. Ja, das gibt es- Weltschmerztage.

Und heute früh morgens dann die Idee, mich noch ein bisschen mehr mit dem Erproben, Üben und Kultivieren von Haltung(en) zu beschäftigen und das in den Rahmen eines Adventkalenders zu packen. Der startet, wie es sich für einen solchen gehört, am Mittwoch den 1. Dezember und läuft bis 24. Dezember.

Hier also die herzliche Einladung, täglich ein Türchen in bekannte und unbekannte, inspirierende und vielleicht auch schräge Räume zu öffnen und in diesem Blog vorbeizuschauen.

LEB!kuchen

2. Dezember 2020

Seit ein paar Jahren (genau gesagt nach meiner ersten Begegnung mit Ursula Seghezzi) birgt der frühwinterliche Lebkuchen einen Appell. Er ist die sich einzuverleibende Aufforderung, aus ganzem Herzen zu leben. Ohne Wenn und Aber, ohne Aufschub.

Deswegen ist er seit einigen Jahren eine absolute Not-Wendigkeit – spätestens zu Beginn des Advents. Wenn- wie jetzt – das Leben so eingeschränkt scheint, wenn Menschen sich viel zu früh aus dem Leben verabschieden, wenn sich ein bitterer Schmerz im Zwerchfell festsetzt, wenn  vielen Fragen viel zu wenige Antworten gegenüberstehen, wenn klar ist, dass das Leben mit seinen Verlusten uns ein Stück Fügung und Demut abverlangt, dann kann eine Tasse Tee und der weiche, nach würziger Wärme schmeckende Leb!kuchen eine Ahnung von Trost, eine inwendige Milde-Insel sein, die den Einschlag des Seelen-Wehs ein wenig abfedert.

Medizin- etwas einnehmen, etwas annehmen, das uns, nach ein paar Balancebewegungen und Ausschlägen in die eine oder andere Richtung, in die Mitte bringt.

(Kein Arzt oder Apotheker informiert über die Nebenwirkungen von Roggenmehl, Honig und Gewürzen.)

Doppelconference

22. März 2020

Der Punkt ist, meine Schmerzpunkt ist: die Erzählung, dass wir einander potentiell gefährlich sind, weil wir – die ganz große Menge an Menschen- nicht wissen, ob wir „das Virus“ in uns haben und übertragen können. Und noch immer habe ich nicht wirklich Angst vor diesem Virus, sondern vielmehr vor dem, was diese Erzählung in unseren Beziehungsräumen erzeugt. Dieses Abstand halten, diese Armut für unser taktiles System, dieses im Zaum halten unserer Bedürfnisse nach Nähe und sinn-lichem Spüren der Präsenz des anderen/der anderen.

Wie werden die Begegnungen sein, wenn sie wieder „erlaubt“ sind?  Das Vertrauen ist ein scheues Tier, das wird sich nicht sofort wieder zeigen.

Und woran merken wir, dass wir gesund sind? Ich fühle mich gesund, und doch verhalte ich mich, als wäre ich ansteckend. Mein Gegenüber fühlt sich gesund. Aber die Erzählung, dass wir beide krank sein könnten, bestimmt unser Verhalten. Das ist Teil dieser täglichen Surrealität, oder besser Doppelbödigkeit.

Ich glaube für viele von uns, ist diese Situation einer Erinnerung an kindliche Erlebnisse: Ich spüre eine Ungereimtheit, ein Unbehagen. Und die Erwachsenen rundherum beteuern, beschwichtigen, beruhigen scheinbar: Aber nein, das bildest du dir nur ein! Jetzt ist es quasi umgekehrt: Ich fühle mich gesund, das Wetter ist prächtig, der Frühling platzt aus allen Winternähten, das ist pure Lebendigkeit, Wachstum. Aber komm bloß nicht auf die Idee, es der Natur gleich zu tun: viel zu gefährlich, nur nicht turteln, nicht zusammenkommen, Abstand halten, …

Die skurrile  Doppelconference von Empfinden und Erzählung.: das ist es, was neben all den nüchternen, vernünftigen Überlegungen, Berechnungen, Prognosen, Verhaltensregeln auf der großen medialen Hauptbühne auf der Hinterbühne stattfindet.  Mein inneres Publikum pendelt zwischen Haupt- und Hinterbühne hin und her.

Ach, all die frisch Verliebten! Nichts turnt das Immunsystem besser an!

 

Selbstverständlichkeit – wie ich mir verständlich werde

9. Februar 2018

Die Wochen und Tage des Beurteilens und Benotens finden gerade statt und bringen mich immer in ein Grundgefühl von Dilemma und Schmerz. Etwas ist verlangt von mir, das ich anders sehe. Ich muss mich von meiner Haltung und Positionierung wegbewegen und dem System Tribut zollen. Das bringt mich in innere Turbulenzen.

Ich übe mich darin, diese Spannung auszuhalten mittels innerer „Dehnung“, mich nicht in Aktionismus flüchten, sondern die eigene Positionierung zu schärfen, Worte und eine Sprache dafür zu finden.

Insgesamt wandelt sich etwas von dem Gefühl der „Unzulänglichkeit“ hin zu einer neuen „Selbst-verständlich-keit“.  Dieses Feld jetzt einfach einmal aufzuspannen, tut einfach gut. Wie es sich bestellen lässt, wird sich zeigen.