Schlagwort: sich bescheiden

In der Lehre bei der Erde

2. November 2017

Da sitz ich im milden, milchigen Morgenlicht und sehe hinauf in den Wald, der sich seiner Kleider nun endgültig entledigt hat, die Wurzeln äußerst hübsch goldbraun bedeckt und gut gewärmt von einer dicken Schicht Laub. Jetzt beginnt also das Winterviertel, zeitlich sind wir über die Schwelle getreten in die Wochen der Dunkelheit, konfrontiert mit kurzen Tagen und langen Nächten.

Ganz deutlich ist mir dieses Eingespanntsein zwischen dem, was die Jahreszeit mir erzählt und wonach es eine große Sehnsucht gibt und dem, was das „zivilisierte“ Leben und meine Arbeit von mir wollen, dem ich ebenfalls zu entsprechen versuche. Das Bewusstsein über diese Diskrepanz allerdings macht mich ein bisschen nachsichtiger und milder, ich verlange mir nicht „volle Kraft voraus“ ab, sondern das Not-Wendige ist genug. Das genügt. Ich genüge.

Das Element des Winterviertels ist die Erde. Die trägt, die hüllt, die lässt in ihrem Inneren ruhen, was ruhen will und wachsen, was wachsen will. Die hat keine Angst vor Moder, Dreck, Dunkelheit und Untergründigem. Die ist die Meisterin des Lassens und ich will bei ihr in die Lehre gehen.

Mich verorten – mich ver-antworten

8. Oktober 2017

Einiges war ich unterwegs in den letzten Tagen, viele Menschen getroffen und gesehen, intensive Begegnungen,  Gespräche unterschiedlicher Tiefe und verschiedenster Art. Ich habe es genossen und es gab (in der Wiener Innenstadt) auch mal den Punkt von Übermaß und Erschöpfung, das deutliche Gefühl von ZUviel.

Die Frage ist also: was kommt nach „viel“ ? Kommt dann „noch mehr“? Oder kommt im Sinne des Ausgleichs, der rhythmischen Polarität dann „wenig“? Für mich gesünder fühlt sich das Pendeln ins „wenig“ an, ins Einfache, ins Sparsame, ins Überschaubare, ins Erholsame für Auge, Ohr und Seele. Wenn es gelingt, diesen Punkt des „sich Bescheidens“ zu spüren und mit der eigenen Gestaltungsmacht dafür zu sorgen, dass Zeit und Raum für Ausgleich ist, dann ist es gut.

Nicht immer erlauben das die Umstände, öfter mal ist uns etwas abverlangt, dass so nicht plan- und gestaltbar ist. Mich beschäftigt, wie ich, wie wir mit diesem Anspruch von außen umgehen. Ich reagiere da manchmal mit ordentlich Widerstand, mit Ärger, Genervtheit und Grant. UND es gibt gleichzeitig die Ahnung, dass es zum einen darum geht, sich in diesen Unwägbarkeiten, Ansprüchen und Spannungsfeldern einzufinden (zu atmen und wahrzunehmen) und zum anderen, mich/sich dafür wertzuschätzen und zu würdigen, dass dieser Prozess des Akzeptierens, des Sich-einfindens, des Abweichens von den eigenen  Bedürfnissen und Plänen eben auch nicht ganz einfach und selbstverständlich ist und trotzdem getan werden will und wichtig ist.

Vielleicht bleibe ich heute etwas vage und unkonkret, aber mir persönlich erscheinen diese Gedanken gerade entscheidend zu sein. Für mich hat das auch mit erwachsener Verantwortung zu tun. Und die (für mich intuitive und noch nicht ganz fertig gedachte) Verwandtschaft zwischen Ver-Antwortung und Ver-Ortung kommt darin zum Ausdruck, dass ich um meine Leistung des Abweichens, des Mich- Einfindens und auch um die Mühe weiß und mich eben dafür schätze, diese Tatsache als Arbeit an mir selber würdige.

Und heute ist es wiederum ganz einfach: Ruhe, Einfachheit, Erholung, mit mir und meinen Bedürfnissen sein – ein verregneter Sonntag, den es zu genießen gilt….