Schlagwort: Sinn

Von Impulsen, Bedeutsamkeiten und Trommelzeichen

6. November 2017

Heute kommt der Blog aus dem Ohrensessel. Das Sitzen im Ohrensessel entschleunigt schon an sich.  Das ist gut, weil „der Hirn“ radelt sich eh schon wieder zu den To-Do-Listen.

Hier und Jetzt: flacher Atem- also einmal, zweimal tief aus- und einatmen. Leise Anspannung im Gesicht, also besuchen die Hände für einen Augenblick die Gesichtsmuskeln: hallo Wangen, hallo Kiefermuskeln, guten Morgen Nasenflügel und Augenbrauen! Eine Runde Kontakt mit dem wohlig durchgewärmten, frisch geduschten Leib. Alles da, alles gut!

Die Sache mit den Impulsen: wir sind in ein Impulskontrollsystem hineingeboren, eine ganze Kindheit lang geht es irgendwie darum, zu lernen, wie wir sozial und gesellschaftlich kompatibel unsere Impulse unterdrücken, hinausschieben, sublimieren können, was wann wo und wie angebracht ist. Das ist zum einen not-wendig, zum anderen sind und waren da nicht nur wohlwollende Interessen am Werk.

Was aber nun – hier und jetzt – relevant ist:  wieder ein Gespür für die eigenen Impulse und Bedürfnisse zu entwickeln und mich dafür zu sensibilisieren, was so bedeutsam ist, dass diesem oder jenem Impuls nachgegeben werden soll. Ich spüre, ich entscheide, ich handle entsprechend und delegiere nicht an andere, „königlicher Hoheits- und Gebietsanspruch“ könnte ich auch sagen. Das sagt sich leichter als es ist, aber die Lust daran entschädigt (und wie gesagt: der Hormonspiegel dankt´s!). Ich merke, dass schon die Freiheit, Erlebnisse und Ereignisse mit Bedeutsamkeit zu versehen, aufkeimende Gedanken gleich einmal zu formulieren und auch Halbfertiges in Gespräche zu tragen, weil eben der Impuls da ist, sehr anregend sein kann.

Impulse dauernd zu unterdrücken, aufzuschieben und sie niemals groß werden zu lassen, kappt mir die Lebendigkeit und meine Lebensfreude, dann fühl ich mich als funktionierendes Rad in einem Getriebe, humor- und sinnbefreit, meiner Individualität und meiner Freiheit beraubt.

Meine Trommel knackst die ganze Zeit so auffordernd (ja, es ist die Heizungsluft, die das Fell spannt!) – sie will bespielt werden! Ich hör die Trommelzeichen.

 

Ordnung und Blickrichtung

30. Oktober 2017

Da waren nun vier Tage Auszeit: Unterwegssein, einiges an Autofahrten, viele neue Eindrücke, enorm viel frische Luft und draußen sein, ziemlich viel lachen, kulturell überformte Natur in vollendeter Schönheit, Wein- und Apfelplantagen, Waalwege, Bergpanoramen vom feinsten. Jetzt bin ich wieder zuhause und ein bisschen atemlos ob der Menge an Aufgaben und anstehenden Erledigungen und habe irgendwie gar keine Lust mich jetzt einfach wieder in  „bewusstlose“  Betriebstemperatur zu bringen. Der Blog ist da eine gute Möglichkeit ein bisschen nachzudenken und zu reflektieren. Was brauche ich? Was möchte ich? Was muss ich?  Am besten in dieser Reihenfolge- wenn das gelingt, ist schon einiges gewonnen!

„Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ -steht auf einer Karte da direkt beim Schreibtisch. Ich neige dazu, das Leben hinauszuschieben, denke an morgen und übermorgen, was bis dahin zu tun und zu besorgen ist, was ich bis dahin schaffen muss(?) und will(?).  Die erste Frage: woher kommen diese Aufträge und Antreiber? Zweite Frage: was macht es so einfach oder so begehrenswert, dem JETZT, dem Leben so gekonnt auszuweichen?

Natürlich wird durch das Zusammenleben mit anderen Menschen schon mal einiges von außen an mich herangetragen. Da steht es für mich sowieso dauernd an, mich zu fragen, was ich viel zu bereitwillig übernehme und was ich z.B. halbwüchsigen Kindern zutrauen und zumuten kann. Da dürfen die Fragen: Was brauche ich? Was möchte ich? – viel schneller und öfter auf den Schirm kommen. Die Antreiber speisen sich aus der Sehnsucht nach Berechtigung, nach Wichtigkeit, nach Bedeutsamkeit. Da ist es vielleicht ganz gut, ab und zu in das Gefühl einzutauchen, dass ich ganz ohne Emsigkeit, Abarbeiten von Listen, ganz ohne schaffen und hackeln schon einfach so Lebensberechtigung, Wichtigkeit und Bedeutung habe- einfach weil ich auf der Welt bin, in ein Netz eingewoben, verbunden mit Menschen und der Mitwelt. Keine meiner hochgeschätzten Freundinnen mag mich mehr, weil ich heute soviel geschafft habe!

Außerdem lauert in den angelegten To-Do-Listen (für mich) ein ganz gemeines Teufelchen, eines, das mir den Sinn wegfrisst. Ich vergesse im Abarbeiten und Abhaken dann oft und oft, warum ich etwas mache, dass es Teil meiner selbstgewählten Arbeitens und Lebens ist. Und dann ist die Frage des Müssens schon fast obsolet. Ins Tun eintauchen, merken, dass JETZT mein Leben ist, dass ich selbstbestimmt tun (und lassen) kann. Das hat etwas mit der Ordnung in meinem Kopf und mit einem gerichteten Blick zu tun!