Schlagwort: Tiefe

Zwei Gläser einer Brille

16. August 2022

Würde ist ein Thema, das mich die letzten Jahre begleitet und beschäftigt und sowohl gedanklich als auch in meinem leiblichen Sein in der Welt eine Rolle spielt. „Würde“ ist eine Brille, mit der ich seit geraumer Zeit auf die Welt und auf Beziehungen schaue, sie wahrnehme und wohl auch interpretiere. Seit kürzerer Zeit kommt ein zweiter Begriff ins Spiel: „Regeneration“. Und seit einigen Wochen beschleicht mich das Gefühl und die Ahnung, dass dies das zweite Brillenglas ist, mit dem ich auf die Welt schaue. So wie wir unsere beiden Augen nicht genau gleich gebrauchen und dieser unterschiedliche Gebrauch für die Tiefen- und Raumwahrnehmung sorgt, so bemerke ich, dass meine Begegnungen mit Menschen, mit Ereignissen, mit der Welt an Tiefe gewinnen. „Würde“ und „Regeneration“ sind verwandt, sie gedeihen auf den gleichen Böden.

Wurzelwunderwerk Wald

28. Dezember 2017

Heute morgen hat es mich direkt aus dem Bett in den Wald gezogen. Ich glaube fast, die Wurzeln haben mich gerufen…;-)

Wenn es etwas von und über Wurzeln zu lernen und erkennen gibt, dann ist der Wald wohl Lehrmeister par excellence. Im Wald gewinnt der Boden in unserer Wahrnehmung an Bedeutung. Meist verändert sich die Weichheit, der Boden ist uneben und dadurch eine Herausforderung für unsere Füße und Beine. Während des Gehens steigt immer wieder der erdig-feuchte Duft des humosen Untergrundes in die Nase – ahhhhh! hmmmm! Durch den Wald zu streifen ist zu jeder Jahreszeit eine Freude. Heute hab ich es mir zwischen den Wurzelkurven einer riesigen Fichte bequem gemacht und bin mit dem mächtigen Stamm im Rücken eine Weile am Boden gehockt. Diese Mischung aus Geborgenheit, Stütze, Unsichtbarkeit und Verschmelzung mit dem Baum hinter mir, macht etwas, dass sich gemeinhin „Verwurzelung“ nennt, das ich aber auch Rückverbundenheit nennen kann, auf sehr leibliche Weise zugänglich. Ich erfahre mich als Teil dieser natürlichen Umgebung. Die Bilder die ich sehe, die Geräusche, die ich höre sind auf eine Art sehr still,  andererseits außerordentlich belebt und lebendig.

Mobilität ist in unserem Verständnis von Leben und Gesundheit ein sehr hoher Wert. Heute ist mir der Gedanke gekommen, dass Verwurzelung als Gegenteil dazu gesehen werden kann. Verwurzelung zu erfahren hat schon damit zu tun, zu stehen, im-mobil zu sein, in die Tiefe, in den Boden hinein zu wachsen und zu fühlen. Das lässt sich in ständiger Bewegung und Beweglichkeit nicht wirklich erfahren. Still-stand versus Fort-schritt. Bleiben, Da-sein, sich dem Wandel aussetzen, Wurzelkommunikation üben…

In die Tiefe

25. September 2017

Im Lebensrad ist dem Herbst das Element Wasser zugeordnet. Das macht Sinn! Wasser fließt- und zwar immer dem tiefsten Punkt zu, es reinigt, spült, löst, sickert, unterspült. Die Bewegungsqualität des Herbstes ist Sinken – im besten Fall in uns hinein und in Richtung eines  tragfähigen Bodens. Das hat was Tröstliches, braucht aber Vertrauen. Das wiederum ist halt nicht immer ganz schnell bei der Hand. Aber es lässt sich üben.

Sich mehrmals am Tag ein paar Atemzüge lang der Tragfähigkeit des Bodens versichern. Sich vielleicht sogar hinlegen und dem Boden das ganze Gewicht anvertrauen. Dem Wasser zusehen, das selten depressiv, sondern meist heiter, fröhlich, verspielt, mächtig oder majestätisch dem tiefsten Punkt zufließt….und dabei reinigt es, durchspült, löst, sickert und unterspült (besonders unsere sturen Vorstellungen, die festgefahrenen Einstellungen, unser widerständiges Müssen und Sollen…).

So stell ich mir das vor! Und du?