Schlagwort: Zärtlichkeit

Alltagszärtlichkeit

12. Dezember 2022

Jetzt, wo ich die Teekanne

-wie oft gebraucht,

dann zur Seite gestellt-

wieder aus dem Schrank nehme,

sehe ich sie plötzlich

-verbunden mit unseren Jahren-

mit Zärtlichkeit,

sehe ich den von Schneeflocken

punktierten Tag,

an dem du sie gebracht

und auf den Tisch gestellt hast.

Walter Helmut Fritz

 Dunkelheit und Licht- Wintersonnenwende

21. Dezember 2020

Die längste Nacht und der kürzeste Tag des Jahres treffen einander heute. Die Wintersonnenwende ist emotional vielleicht die wichtigste Wendezeit des Jahres.

Aus der dunkelsten Dunkelheit entsteht das wachsende und länger werdende Licht. Wir sind in unserer westlich-zivilisierten Welt Lichtfetischisten. Für unser Immunsystem ist aber der Wechsel zwischen Dunkelheit und Licht ein wichtiger Baustein. Die samtige Dunkelheit der Nacht kann etwas sehr Erholsames, Berührendes, Sensibilisierendes haben. Das Tageslicht und das Sein an der frischen Luft ist ein passender Gegenspieler.

Ich lade dich heute ein, dich abends der Dunkelheit hinzugeben, sie zu würdigen, die Dämmerung, das Dunkelwerden als zärtliche Einladung zum Landen, zum Langsamerwerden, zum Ausatmen, zur Muße zu verstehen. Wir haben wenig Respekt vor der Dunkelheit, der sich dann möglicherweise auch in Angst und Furcht vor ihr verkehrt. Begrüße heute die Dunkelheit mit offenem Herzen und auf Augenhöhe, heiße sie willkommen.

Kerzenlicht ist eine Möglichkeit der Dunkelheit zu begegnen, ohne sie zu vertreiben. Gib dich dem Zauber von Kerzenlicht hin, das ist ja rund um die Weihnachtszeit eigentlich Teil vieler Rituale. Kerzenlicht kann wie gute Musik oder ein Gedicht unser Gemüt und Gefühl berühren. Kein Lämpchen kriegt die Atmosphäre von Kerzenlicht hin….

Innerlich berührt sein in dieser berührungslosen Zeit.

Solidarität

5. April 2020

Ich beobachte ein bisschen die Sprache, die in der öffentlichen Kommunikation verwendet wird und muss mich doch sehr wundern. Das Wort „Solidarität“ zum Beispiel nehmen gerade Politiker (gab es mal Politikerinnen?) und Menschen in den Mund, die bisher gut verborgen haben, diesen Begriff überhaupt in ihrem Wortschatz zu führen. (Salopp: Ich wusste gar nicht, dass die das buchstabieren können!).

In mir entsteht das dringende Bedürfnis dieses Wort sofort auf Reha zu schicken, damit es sich von diesem klebrigen Virenbefall befreien und erholen kann.

Solidarität entsteht aus einer Haltung des freiwilligen Teilens eines Wertes heraus. Ich finde etwas – wie du – wichtig und ich bin freiwillig  bereit, diese Werthaltung mit dir zu teilen und eventuell daraus entstehende persönliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen. Die Freiwilligkeit widerspricht nicht einer persönlichen Notwendigkeit aus dem je eigenen Wertekanon heraus eine Konsequenz zu ziehen.

Hochproblematisch wird es mit dem Einfordern von Solidarität. Reifliche Überlegung, ein Ringen um die eigenen Werte und die persönliche Haltung, eine klare Entscheidung, sind, so finde ich, verlässliche Begleiter von Solidarität.

Angst, Überangepasstheit, moralische Überlegenheitsgefühle sprechen eher von einem viralen Befall des Begriffes „Solidarität“. Das wäre ich dann ganz dringend für die Reha- Variante.

Wie könnte diese Reha aussehen:  in einen blühenden Vogelkirschbaum gehängt, von der Frühlingssonne beschienen, vom Wind durchgeblasen, von Flügelschlag der vorbeifliegenden Vögel sanft bewegt, von einer jungen Frau entdeckt und gesehen, die den Fund ihrer Freundin aus der Ferne zeigt: Da, siehts du, da wo die Bäume ganz dicht stehen, das blüht ziemlich oben eine Vogelkirschbaum und da hängt was… sieht du das? Ah, ja, ja, jetzt sehe ich es. Da spazieren wir morgen hin und sehen uns da an….

In der Mondnacht, vom Sternbild der Kassiopeia zärtlich bewacht, sinkt die nach Kirschblüten duftende Solidarität sanft zu Boden, der herumstreunende Kater legt sich drauf, putzt seine Pfoten, den schnurrenden Leib und ruht, immer wieder träge eine Auge öffnend und wachsam bis in die hinterste Zelle, eine Weile darauf…. Dann….

So beginnt die Reha-Geschichte in meiner Vorstellung.

Und in all dieser Zeit kann  dieses Wort nicht verwendet werden und diejenigen, die das momentan so gern in den Mund nehmen, sagen statt dessen, was der Sachverhalt ist: Tut, was wir euch sagen, haltet euch an die Regeln, die wir uns mit unserem Experten- und Krisenstab für euch ausgedacht haben. Wie wissen nämlich nicht genau, wie wir diese Situation unter Kontrolle bringen sollen. Wir versuchen jetzt, euch unter Kontrolle zu bringen, das gibt uns ein bisschen mehr das Gefühl, gute Krisenmanager zu sein, weil wir da gleich etwas machen, Entscheidungen treffen können. Und nicht abwarten und beobachten müssen und das Leben in seiner Größe und Komplexität, in seiner Unberechenbarkeit und Entfaltungsfähigkeit wahrnehmen müssen. Wir wissen wenig, aber an einem Ende können wir kotrollieren und wir wollen, dass ihr euch vor euch selber schützt, dass ihr die anderen vor euch schützt. Zärtlichkeit und Nähe, leibliche Begegnung und der Trost des lebendigen Körpers – das ist gefährlich. Vertrauen ist gefährlich.

Wenn ihr tut, was wir euch sagen, dann seid ihr……….. (es ist nicht da, es ist auf Reha!)

Gioconda Belli sagte: Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.

Rehabilitationziel: die  ausreichende Ladung  und Sättigung des Begriffes „Solidarität“ mit Zärtlichkeit.

Wintersonnwend

22.12.2018

Empfindsame Tage, lange Nächte, die Wintersonnwendzeit ist da, mit einem Vollmond noch dazu. Einbremszeit vor Weihnachten ist schon was Feines. Für Schlaf sorgen, das Gemächliche zelebrieren, ein bisserl „Nestln“. Die Vorbereitungen im eigenen Tempo machen, den „Hudriwudri“ in den Arm nehmen und ein bisschen beruhigen.

Die viele Dunkelheit erschwert das Sehen, macht das Hören und Spüren zu einer Not-Wendigkeit. Und alles ein bisschen langsamer und aufmerksamer als sonst.

Habt eine feine Zeit, ihr Menschen da draußen, seid gut zu euch und zu den anderen. Dem Licht eine Bühne geben, dem kleinen Licht.

 

 

 

Übers Sterben lernen, lebendig zu sein

21. November 2017

Heute soll der Blogeintrag wieder einmal Andreas Weber gewidmet sein. Immer noch lese ich in seinem Buch „Lebendigkeit- eine erotische Ökologie“. Gestern Abend gelangte ich zu diesen seinen Aussagen:

“ Das Universum ist nicht bloß zärtlich. Es ist ebenso tödlich wie es zärtlich ist. Und zärtlich kann es nur sein, weil es tödlich ist. Zärtlich kann es nur sein, indem sich diese Zärtlichkeit beständig gegen den Tod zur Wehr setzt.“

Und der Tod begegnet uns nicht erst als das physische Ende unseres Lebens, sondern…..“Er umfasst jedes kleine Sterben des Abschieds, der Unsicherheit, der Nacktheit, der Hilf-und Schutzlosigkeit. Zu ihm gehört jeder Moment, in dem ich nicht `Herr der Lage` bin,….“

“ Sterben lernen heißt somit, die Wirklichkeit sehen, ohne sie in eine angenehme Richtung zu bürsten. Nur das bedeutet wirklich zu sehen. Und nur das bedeutet, plastisch zu sein, schöpferisch zu sein, ohne sich für seine Unvollkommenheit schämen zu müssen.“

Hier also wieder einmal die Kategorie „Blech weg“.