Schlagwort: Entscheidung

Vertrauen

13. Dezember 2021

So, das ist ein Thema, das mir nicht gerade in die Wiege gelegt ist und das mich in den letzten Jahrzehnten immer wieder sehr intensiv beschäftigt. Kinder z. B. können ohne Vertrauen nicht begleitet werden. In Wahrheit ist es natürlich in jedweder Bindung vonnöten und gefragt.

Tatsächlich bin ich nicht gerade gesegnet mit Vertrauen und habe immer wieder das Gefühl, dass ich mich mit großem inneren Risiko in diese Haltung hineinbegebe(n will!) Was mir auffällt, ist, dass das Misstrauen im Moment einen sehr fruchtbaren Boden findet in unserem gesellschaftlichen Zusammensein. Tatsächlich fand ich ganz zu Beginn der Pandemiezeit, dieses Gefühl potentielle Gefahr zu sein und im Kontakt mit Menschen alle anderen als potentiell ansteckend zu sehen, sehr bedrohlich. Für mich auch, doch weniger, aber für das soziale Miteinander ist derlei Vertrauensverlust in die Annahme, einander Gutes zu wollen, ein herber Schlag.

Das fehlende Vertrauen hat sich in Zuschreibungen, Übertreibungen, Schuldzuweisungen den je „anderen“ gegenüber auf recht deutliche Weise gezeigt. Mit dieser Lagerbildung tun wir uns alle keinen Gefallen, davon bin ich überzeugt. UND es ist nicht einfach in dieser aufgeheizten Stimmung das Vertrauen in das potentiell Wohlgesonnene in anderen Menschen zu pflegen, zu üben, zu kultivieren.

Besonders augenfällig finde ich das Misstrauen in den Staat, in Medien, in Institutionen, die per se einmal für uns gedacht sind. Es gelingt mir nicht (rein zeitlich,) immer alles selbst zu recherchieren, mir allzeit ein vollständiges Bild von der Situation zu machen, ständig nachzusehen, wie die Situation in den Krankenhäusern ist,…. Ich versuche herauszufinden, welches Medium seriös arbeitet (tatsächlich sind das nicht allzuviele), ich versuche zuzuhören, ich vertraue auf Menschen, die ich für verantwortungsvoll halte, ich tausche mich mit Freunden aus und verlasse mich ein Stück weit auf meine Intuition, was mir vertrauenswürdig und transparent in der Absicht vorkommt. Ich vertraue.

Ich vertraue in den Satz, „Wo Zerstörung und Chaos herrscht, wächst auch das Rettende.“ Ich vertraue in das Kollektiv, das weiter sieht, als ich in meiner individuellen Beschränktheit. Ich vertraue in die Regenerationskräfte aller lebendigen Systeme. Ich vertraue, dass der Weg im Gehen unter unseren Füßen entsteht. Ich vertraue, das soziales Miteinander unser individuelles und kollektives Immunsystem stärkt.

Meistens zumindest. Manchmal ist es auch richtig schwer und ab und zu verliere ich den Mut.

Aber: ich will vertrauen, ich muss vertrauen, ich darf vertrauen.

Und: ich will selber denken, ich muss selber denken und ich darf selber denken.

Das gehört für mich zusammen.

Vertrauen kann aus meiner Sicht – wie Solidarität übrigens – nicht eingefordert werden. Dazu bedarf es einer höchstpersönlichen Entscheidung. Dazu sind wir aufgefordert.

Wählen

29. September 2019

Und wieder- Wahltag. Ich gestehe, dass ich nicht nur gespannt, sondern auch angespannt bin. Die Erfahrung, dass sich Wahlprognosen und mein Gefühl, meine Einschätzung selten decken und dass der Spalt, der sich auftut, wenn die Wahlergebnisse daherkommen nicht wegzudiskutieren ist, sitzt in meinen Zellen. Ich werde wieder fassungslos hineinstürzen…..(oder meine Wahl: mich mit Menschen umgeben, die mir Trost sind!)

Ich hoffe, ich wünsche – und die Hoffnung stirbt zuletzt.  Wie kann das Wissen, das wir über den Zustand unserer Erde, über den Wahnsinn unseres Wirtschaftens, über die Irrwege in unseren Schulen, über die Aushöhlung unseres Sozialsystems haben, immer wieder so wenig Einfluss auf den Moment in der Wahlkabine haben, über dessen Banalität und Einfachheit ich immer wieder staune? Es wird uns im Grunde so einfach gemacht zu wählen UND genau deswegen macht es eben einen riesen Unterschied, wo ich mein Kreuzerl setze. Wir haben, so glaube ich, einfach kein Gefühl dafür, welche Konsequenzen solche „einfachen“ Entscheidungen haben.

Wählen ist eine Tätigkeit, „wählen“ ist ein Verb. Ich wähle. Du wählst. Sie/er/es wählt. Wir wählen. Ihr wählt. Sie wählen.

Was tun wir genau, beim Wählen?