Schlagwort: Nicht-wissen

Fliehkräfte und Medizin

19. August 2020

Vom Unterwegssein zurückgekehrt daheim durch die Tage mäandern, ein bisschen wilder, forschender und abenteuerlustiger als eine „Hausfrau“.

Dem Reisen hat das Einüben ins Nicht-wissen auch gut getan: die Tage, Gegenden, Menschen, Orte, Ereignisse entspannt auf mich zukommen lassen und nicht erobernd darauf „Zustürmen“- wieviel Druck wegfallen kann, wenn es möglich ist, sich in der Zeit JETZT einzurichten. Nicht direkt ein neuer Gedanke, aber viele kleine Bestätigungserfahrungen im Handgepäck, das macht Freude!

Die Wandel – und Wechselprozesse erfassen im Moment jeden Bereich und befeuern und feiern einander. Dafür braucht es starke Medi-zin, die mich in die Mitte bringt und in mir verankert: Nicht mehr und nicht weniger als „Die Wolfsfrau“ ist adäquat für derlei. Kraftvolle Geschichten, die einer das Fleisch auf die Knochen drückt, damit die Fliehkraft zwar das Unnötige wegreißt, aber der Kern zusammenbleibt. Durchschütteln, was ohnehin durchgerüttelt ist, mit der Wildheit, der Abenteuerlust und der Kraft mittanzen erscheint sinnvoll.

Geht grad. Mach ich.

Reisezeit ins Nicht-Wissen

6. August 2020

Morgen beginnt auch das äußerliche Unterwegssein. Heuer habe ich Respekt davor, nicht einfach nur Fernweh und Reiselust. Die Vorbereitungszeit ist kurz, die Lust am Aufbruch hält sich in Grenzen. Das ist alles ein bisschen seltsam und irritierend. Selbstirritation ist mir nach den letzten Jahren vertrauter, das Erstaunen darüber, welche Bereiche das zu erfassen beginnt, dann doch immer wieder groß. Je länger ich mich kenne, je besser ich mich kennenlerne, desto weniger weiß ich über mich – kommt mir manchmal vor. Höchst paradox, das alles. Das Potential zur Selbstüberraschung ist also demnach groß. Wie wenig ich eigentlich weiß……

Verinnerlichte Ostung – wieviel kann ich umarmen?

23. Juli 2020

Die Sache mit dem NICHTwissen noch einmal: es kann auch entspannend sein. Ich muss nicht wissen, wie Situationen einer Lösung zugeführt oder fertig gemacht werden sollen. Die Versuchung, genau das immer wieder zu glauben, und ziemliche Anstrengungen dafür zu unternehmen, sind zahlreich. Vom Tun Abstand nehmen und abwarten, zuschauen, gespannt und neugierig sein, wie solche Situationen sich ohne meine „Schon-Wissen-Anstrengung“ entwickeln – das wäre doch ein Urlaub der anderen Art…

Dazu ist es aber eben auch unerlässlich, sich radikal mit dem Ungelösten, Unfertigen, Unschönen anzufreunden, es nicht nur auszuhalten, sondern es zu begrüßen und zu umarmen. Ken Wilber meint in einem Interview: „Wieviel kann ich umarmen?“ statt „Wie kann ich zeigen, dass meine Sichtweise richtig ist und alle anderen im Unrecht sind?“

Ach, wie gerne ich weiß und recht habe und mir Lösungen ausdenke und dabei keine Ahnung habe, was und wie alles zusammenspielt…. Das Leben ist irgendwie schon größer, als was ich mir so zusammenreime.

Handeln und Gestaltungswille sind mir schnell zur Hand und häufig mit Anerkennung belohnt. Es scheint eine radikale Wendung dessen anzustehen, was ich bisher meinte, sein und tun zu müssen. Ein Wandel, der die Wurzeln erfasst.

Das ist gleichzeitig schwierig und erleichternd, hat mit AusRichtung, also OrienTierung („Ostung“) zu tun. Ist der Osten vielleicht innen?

Ehren und nähren

16. Juli 2020

Nun haben die Ferien begonnen, der dazupassende Modus stellt sich nach und nach ein. Das erste Wochenende war geprägt von Familienfeier und Packen für ein paar Tage auf der Alm. Nun- wieder zurück, gibt es einen klareren Blick auf das, was wichtig ist: die einfachen Dinge, die alltäglichen Tätigkeiten, die in je passendem Tempo und mit Aufmerksamkeit nach und nach getan werden – und die Ausrichtung in diesen wankenden Zeiten.

Ich erlebe das Wanken auf vielen Ebenen, kollektiv, individuell, körperlich und psychisch, auf Beziehungsebene und in meiner Stellungnahme zu mir selbst. Das Thema, welches sich durchzieht: immer schon alles wissen versus NICHT-wissen. Leider keine neueren und spektakulären Erkenntnisse dazu, außer dem Beschluss, mich mit dem NICHT-wissen anzufreunden, es ein bisschen zu kultivieren, abwarten, was mir das Leben zuträgt, was der Tag so bringt, was sich zeigen will, ein wenig Abstand nehmen von Aktionismus und Aktivismus.

Was mich ehrt und was mich nährt: um ein offenes Ohr und Herz gebeten werden, hören, aus dem Herzen antworten, nichts vermeiden, um passende Worte ringen und dabei ganz ich sein. Das schenken Freundinnen: um etwas bitten, Zeit, ein Geben, das gleichzeitig nährt und bereichert, in der Tiefe der Abgründe mit Sprache spielen und mit herzhaftem Lachen wieder daraus aufsteigen. Nahrhaft und wahrhaftig!

Nicht wissen – „State of the Art“

27.4.2020

In die Zukunft denken ist schon seit einiger Zeit eine recht unlustige Tätigkeit und hat sich ohnehin also total unergiebig erwiesen.

Wenn im Moment etwas Gültigkeit hat, dann dieser Satz: erstens es kommt anders, zweitens als du denkst. Den mochte ich nie, er hat auch oft nicht gestimmt! In den letzten Wochen überdurchschnittlich oft schon.

Immerhin rückt der Zeitpunkt in greifbare Nähe, an dem Menschen, FreundInnen, Familie wieder getroffen werden dürfen und ich mich nicht mehr ausschließlich als kaufkräftige, konsumierende Zellansammlung fühlen muss, sondern wieder so etwas wie ein Sozialleben zugestanden bekomme. Ich denke im Moment viel über innere Freiheit nach, über Humorlosigkeit, die mich befällt, wenn ich mir Schule mit Gesichtsmasken, ohne  Mimik, hochdistanziert und voller Angst vor Ansteckung vorstelle, immer in Anwesenheit dieses Vorbehalts, dass mir die Nähe zum anderen gefährlich werden kann, dass ich dem anderen gefährlich werden kann. Da bin ich völlig unflexibel unkreativ, humorlos – in Wahrheit verzweifelt.  Feldenkrais mit Gesichtsmaske und Handschuhen: meine erste Reaktion: never ever!

DA, schon wieder in die Zukunft gedacht, meinend zu wissen, wie das werden wird…..Und im „Handumdrehen“ (sehr körperlich gedacht von der Abwehrhaltung in meine offenen Handflächen sehend), ich weiß nichts, ich stehe da mit leeren Händen, würde mich gerne anvertrauen an Wissende, die mir Gutes wollen, die Fürsorge im Herzen und Weitblick  haben – niemand da.

Das ist die Realität: nicht wissend, mit leeren Händen in Gemeinschaft mit anderen Nicht-Wissenden, Ringenden, am Leben,  die Lebendigkeit und Freiheit vermissend: quasi „State of the Art“ (hmmm? aaaaahh!)

 

 

In Frage stellen/in Frage stehen

14. Oktober 2019

Eine Zeit ist da, in der eindeutig mehr Fragen im Raum und in der Zeit sind, als Antworten. Das stellt einen Zustand der Krisenhaftigkeit her. Und eine gewisse Überblicklosigkeit, ein großes Unwohlsein, eine Fragilität der Routine. Es gibt den Versuch, sich aber dennoch Freiheiten herauszunehmen, statt das To-Do- Listen-Programm abzuarbeiten, einen Blog-Eintrag schreiben, statt zeitig aufzustehen und alles zu erledigen, auszuschlafen und sich auch so zu fühlen, statt dem Versorgungsautomatismus nachzugehen, die Frage zu stellen, was ich heute brauche, was das Not-Wendige ist.

Ein bisschen zum Wort Krise recherchieren und entdecken, dass es auch um Wendepunkte gehen kann…

Gesten eine Sendung über Tiefenökologie gehört und mich wieder erinnert: Dankbarkeit und  Schmerzarbeit sind zentrale Themen ….. also: Wofür bin ich/bist du dankbar? Den Schmerz der In-Frage-Stellung, der Identitätskrise spüren und würdigen, das Nicht-wissen und Nicht- ahnen aushalten. Mir in all dem selbst-verständlich werden.

 

Loslassen und Abschied

2. September 2019

Abschied und Loslassen prägt diese Zeit. Den Sommer in den letzten Tagen noch einmal bis zur Neige ausgekostet: baden gehen, laue Abende, Sommerkleidung, das Leben draussen genießen, auf den Berg gehen,…Mit dem jetzigen Wetterumschwung kommen andere Zeiten, das Licht wird anders, die Nächte sind wirklich kühl, das Arbeitsjahr scharrt in den Startlöchern, Neues kündigt sich an.

Dieses Mal gerät das Loslassen noch in andere Tiefen: ein Lebensabschnitt geht zu Ende, beide Kinder leben ihr Leben da draußen in der Welt, selbständig, nicht mehr bei uns wohnend, voller Abenteuer und neuer Erfahrungen. Das „Nest“, welches das gemeinsame Wohnen lange Zeit war, ist nun leer. Die Möglichkeit des Neuen vermischt mit der Trauer um diese langen Jahre des nahen Gemeinsamen. Nicht alles war immer leicht und gut, die Ablösungszeiten waren turbulent, Gratwanderungen manchmal.

Die Zurückbleibende sein, die Leere ertragen, das Neue einladen, nicht wissen, was kommt, Prioritäten setzen, der Traurigkeit nicht ausweichen, die Freiheit erahnen, die Automatismen stören, den Abschied in die Hand nehmen.