Sprache bahnt einen Weg

27.September 2017

Sprache ist mir eine Quelle des Nachdenkens und häufig Anregung für Standortbestimmung. Wenn ich mich an Formulierungen stoße, heißt das, dass ich mich auf der Suche nach einem passenderen Wort frage, wie ich das jetzt wirklich, wirklich meine, was ich wirklich, wirklich sagen will.

Sprache ist für mich aber auch ein Medium, das den Wandel manchmal vorwegnimmt oder besser – dem Wandel den Weg bahnt, wie ich finde.

Im Archiv habe ich einen Text gefunden, der auf für mich dermaßen kraftvolle Weise ein Bild zeichnet, das, wie ich finde, den nötigen Sog für Veränderung aufbaut. Ich teile mit euch ausschnitthaft diese Kraft.

Die Worte stammen von Thiago de Mello, einem brasilianischen Schriftsteller.

„Es wird verfügt, dass jeder Wochentag,

auch der Dienstag, der aschfarbenste, das Recht hat,

sich in einen Sonntagmorgen zu verwandeln.

(….)

Niemals mehr wird es nötig sein,

sich zum Schutze in Schweigen zu hüllen

oder Wörter wie Rüstung zu benutzen.

Der Mensch wird sich an den Tisch setzen mit ungetrübten Blick,

denn die Wahrheit wird vor dem Nachtisch serviert.

(…)

Es wird verfügt und festgeschrieben,

dass der Mensch ein Tier ist, das liebt,

und dass er dadurch schön ist,

viel schöner als der Morgenstern.

Es wird verfügt, dass nichts mehr erzwungen noch untersagt sein wird.

Alles wird erlaubt sein,

vor allem mit dem Rhinozeros zu spielen

und am Nachmittag

mit einer riesengroßen Begonie im Knopfloch

spazieren zu gehen.

(…)“

Thiago de Mello