„Da fliegt mir doch das Blech weg!“

8. November 2017

Kennst du dieses Gefühl, wenn du etwas liest, das ziemlich genau beschreibt, was du zutiefst weißt, was aber in dir noch nicht in die passenden Worte gefunden hat? Dieses bis in die hinterste Zelle zu spürende „JA, genau! JA, JA, JA!!!“ , dieses „Da fliegt mir doch das Blech weg!“ -Gefühl. Das hat mich gestern Abend überschwemmt, im Zug ein bisschen gelesen in Andreas Webers „Enlivement“ und dann die Stelle, die eine für mich hochgradige Brisanz hat:

„….Bedürfnisse bedeuten nichts anderes, als das wir lebendig sind. Sie lassen sich nicht unterdrücken, weil sie die Wirklichkeit sind. Man kann sie nur einsperren. Sind Gefühle eigesperrt, werden sie toxisch, das heißt der Schmerz der Unterdrückung wird zur unbewussten Legitimation einer Unterjochung der anderen. Das ist ein Dilemma, das vielleicht am tiefsten für unsere Unfähigkeit verantwortlich ist, die Praxis des Toten zu stoppen, und es geht jeden an. Die Befreiung des Fühlens aus dem Gefängnis effizienter Kontrolle ist somit das erste Ziel eines Strebens nach poetischer Objektivität.“

Poetische Objektivität geht über eine abstrakte Objektivität hinaus. „Eine solche Haltung versteht die Wirklichkeit als Beziehungssystem, nimmt den Körper als Ort existentieller Erfahrungen ernst und unterdrückt Bedürfnisse nicht mehr im Dienste der Kontrolle und des eigenen Genügens.“

Es geht jeden und jede an. Es geht mich an. Meinen Körper als Ort meiner existentiellen Erfahrungen ernst nehmen und dafür sorgen, das Gefühle in mir nicht toxisch werden müssen. Meine Wirklichkeit anerkennen.